Ein echter Messerfreund beherrscht ein großes Vokabular an Bezeichnungen für Messerstähle. In jeder Diskussion werfen sich versierte Teilnehmer die Bälle zu: 1.1248, D2, S30V oder 440C sind populäre Materialien für Outdoor-Klingen. Doch neulich fiel ein anderer Begriff: M390 Stahl.
Das war selbst für mich ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Und schon können wir ein neues Thema anschneiden, wo es speziell um M390 Messer und Messerstahl geht.
Wir werden einen Blick auf 3 beliebte m390 Messer werfen und schauen uns anschließend den Stahl selbst im Detail an:
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Beliebte M390 Messer
1. Real Steel Megalodon 2017 Titan – Der stählerne Hai
- Klinge: M390
- Klingenlänge: 10 cm
- Gesamtlänge: 22,4 cm
- Klingenstärke: 3,4 mm
- Verschluss: Framelock
- Griff: Titan TC4
Real Steel nennt sein High-End Folder nach dem größten Meeresräuber der Urzeit, dem Riesen-Haifisch Megalodon. Auf rege Nachfrage hin brachte der chinesische Hersteller die überarbeitete 2017er Edition heraus.
Auf den ersten Blick erscheint das Megalodon wie der Vorgänger, doch es ist bis ins Detail verbessert und damit sowohl für den taktischen Einsatz als auch für Sammler interessant.
Die Klinge
Die satinierte Drop Point Klinge verfügt über eine dünne Schneide. Real Steal verwendet hier den pulvermetallurgischen Böhler Superstahl M390, der unverdrossen alle Holzarbeiten erledigt, Nylonseile schneidet und danach noch scharf genug für eine Rasur ist.
Der Griff
Offene Bauart macht das Megalodon Folder pflegeleicht – einfach mit Wasser spülen, fertig.
Der solide Lockup, sozusagen die „Bauchflosse des Hais“, öffnet die zentriert gelagerte Klinge butterweich und leise.
Der geschwungene Griff vermittelt den optischen Eindruck einer längeren Klinge im Vergleich zum Griff. Dank mattierter Oberfläche und der großen Fingermulde liegt der Griff satt in der Hand.
Der Clip ist leider nur für Rechtshänder passend, oder Linkshänder tragen das Folder Tip-up.
Eine kleine Kritik liegt noch an, und zwar liegt der Clip in einer Aussparung der Griffschale auf. Das mag als designtechnisches Alleinstellungsmerkmal gedacht sein, doch es kann schwierig werden, das Folder schnell an der Kleidung an- und abzustecken.
+ gute Führung bei Druckschnitten
+ starke Klinge mit feiner Kante
+ leicht durch offene Bauform
- Griffschalen bilden schnell glänzende Kratzer (was ich persönlich designtechnisch sogar vorteilig finde)
- Clip nicht umsetzbar
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2. Lion Steel Messer T.R.E. G10 - Der Sieger von Atlanta
- Klinge: M390
- Klingenlänge: 7,4 cm
- Gesamtlänge: 17,5 cm
- Klingenstärke: 3,5 mm
- Verschluss: Framelock
- Griff: G-10
Die international beachtete Blade Show in Atlanta kürt jährlich das beste Messer. Wer hier gewinnt, hat sozusagen den Weltmeistertitel errungen. T.R.E., das Modell der italienischen Marke Lionsteel, durchbrach die zehn Jahre währende Vorherrschaft amerikanischer Marken und wurde 2015 “Overall Knife of the Year”.
Die Klinge
T.R.E. steht für “Three rapid changes”, die drei Öffnungs-Varianten: Je nach Konfiguration wird es
- zum Einhandmesser mit Daumenpin,
- zum Zweihandmesser
- oder zum manuellen Flipper.
Damit lässt es sich für die Urlaubsreise an die regionalen gesetzlichen Vorschriften anpassen.
Der Griff
Das Lionsteel T.R.E. ist mit unterschiedlichen Griffschalen erhältlich. Die Klinge arretiert mit einem hörbaren Klicken, wenn der Framelock verriegelt. Der Verschluss ist durch das Insert in Edelstahlausführung so gut wie verschleißfrei. Der Klingengang läuft präzise auf zwei IKBS-Kugellagern, wodurch das T.R.E. mühelos aufflippt.
Größte Sorgfalt und eine ruhige Hand ist beim Auseinanderbauen angesagt. Arbeiten Sie am besten zu Hause auf einem Küchentablett, da beim Entfernen der Griffschale automatisch das Kugellager offen liegt, es hat keinen Käfig.
+ drei Öffnungsmethoden
+ auf Gesetzgebung modifizierbar
+ extrem scharfe Auslieferung
- etwas fragiler Clip
- Kugellager ohne Käfig
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3. Lion Steel M4 Santos Taschenmesser Braun - WaffG konform für Bushcraft und Jagd
- Klinge: M390
- Klingenlänge: 9,5 cm
- Gesamtlänge: 20,5 cm
- Klingenstärke: 4 mm
- Verschluss: Feststehend
- Griff: Santosholz
Das Lionsteel M4 schließt sich der Reihe fester Fahrtenmesser, die bei Bushcraft, beim Camping oder beim jagdlichen Einsatz verwendet werden. Das klassische Design ist natürlich auch in der Outdoorküche zu gebrauchen:
- Gemüse schnippeln,
- Fleisch würfeln
- und dicke Brotkrusten abschneiden
Die Klinge
Mit 4 mm dickem Rücken ist die sehr schnitthaltige Klinge aus M390-Stahl für schwere Arbeiten, hacken, und sogar Batoning ausgelegt.
Gut, dass Lionsteel auf ein etwas störendes Jimping verzichtet hat: Dies und der feine Flachschliff machen sich bei superfeinen Schnitten, wie beim Schnitzen von Feathersticks, positiv bemerkbar.
Der Griff
Vier Holz-Varianten stehen bei den Griffschalen zur Auswahl:
- Olive,
- Walnuss,
- Santos
- und Cocobolo
- Wer es noch robuster bevorzugt, erhält auch G-10.
Die Verarbeitung ist sehr sauber ausgeführt, schön abgerundete Kanten ergeben in allen Griffvarianten eine angenehme Haptik, wodurch das Messer wohl kaum Blasen in der Hand produziert.
Der Voll-Erl endet als Knauf am Griffende, wodurch das M4 eine praktische Hammerfläche erhält. Mit 9,5 cm Klingenlänge können Sie das M4 in seiner handgenähten Lederscheide am Gürtel tragen, es ist § 42a konform.
+ wertige CNC-Fertigung
+ vielseitige Nutzung durch Vollerl
+ mit Lederscheide
- minimal fixierte Griffplatten können sich verziehen
- offene Nahtzugaben in der Lederscheide
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Was ist M390 Stahl?
M390 Microclean ist ein pulvermetallurgisch hergestellter martensitischer Chromstahl, der ursprünglich für Industriemaschinen mit hoher Schnittleistung und Krafteinsatz entwickelt wurde.
Aus M390 bestehen unter anderem
- Einsätze zur Herstellung von CDs und DVDs,
- Formen zur Verarbeitung von Duroplasten,
- Matrizen für die Produktion elektronischer Chips,
- Auskleidungen für Spritzgießzylindern.
Dank bester Gebrauchseigenschaften hat sich M390 auch guten Namen in der Messerszene erworben. Die Legierung besitzt sehr gute Korrosionsbeständigkeit, sie lässt sich einfach schärfen und beweist hohe Schnitthaltigkeit.
Welche Legierung hat M390?
Insgesamt bilden sieben chemische Elemente die Legierung. Die Anteile verteilen sich folgendermaßen (Anteile in %):
C | Si | Mn | Cr | Mo | V | W |
---|---|---|---|---|---|---|
1,90 | 0,70 | 0,30 | 20,00 | 1,00 | 4,00 | 0,60 |
Quelle: https://www.bohler-edelstahl.com/de/products/m390/
Aufgrund des hohen Chromanteils lässt sich M390 Microclean besser als andere Werkzeugstähle auf Hochglanz polieren und die Reaktivität liegt sehr gering. Dies bietet Messerfans hohen Mehrwert bei Outdoormessern, doch das eigentliche Highlight ist der hohe Kohlenstoffanteil.
1,9% Carbon in Verbindung mit Wolfram und Vanadium, den Spezialisten für harte Karbide, zeigen schon, dass wir es mit einem High-End-Stahl zu tun haben. Wie das bei jeder Legierung ist, müssen Hersteller die Vorteile einer Legierung mit Nachteilen erkaufen.
Lesenswert: Was sind Karbide und welche Funktion haben sie? Nachzulesen beim Guide zum 8Cr13MoV Stahl
Für die spitzenmäßige Performance beim Korrosionswiderstand und der Verschleißfestigkeit muss beim M390 ein Kompromiss bei eher mittelmäßiger Zähigkeit eingegangen werden.
Der Name sagt schon alles über den Unterschied aus: Die Partikel sind wesentlich kleiner und das Pulver verfügt über höhere Reinheit.
So wird M390 Stahl hergestellt
Wie hart und leistungsstark ein Stahl wird, hängt vor allem an der, für die Legierung optimale Wärmebehandlung ab.
- Der M390 wird nach der Warmformgebung einer Weichglühbehandlung unterzogen. Beim Spannungsarmglühen wird er auf 650° erwärmt.
- Nach völliger Durchwärmung verbringt das Werkstück vier Stunden in neutraler Atmosphäre. Der Ofen wird nun auf 300° abgekühlt, anschließend erfolgt Luftkühlung.
- Das Härten erfolgt bei 1100 - 1600 °C in Öl und verdichtetem Stickstoff N2.
- Die Haltezeiten nach völliger Durchwärmung betragen 20 - 30 Minuten bei 1100 - 1150 °C sowie 5 - 10 Minuten bei 1180 °C
- Der M390 erreicht damit eine Stahlhärte von 56 - 62 HRC, wobei der Hersteller für diese Legierung Vakuum-Härtung empfiehlt.
- 1. Anlassen bei 180 - 350 °C und anschließendes Abschrecken bei –70°C bis –120°C zur kompletten Restaustenit-Umwandlung notwendig.
- Das 2. Anlassen erfolgt 3 Mal bei 540 °C, um verringerte Korrosionsbeständigkeit bei maximalem Verschleißwiderstand zu erreichen.
Nur bei exakter Durchführung der aufwendigen Wärmebehandlung können die gewünschten Eigenschaften generiert werden.
Damit ist der stolze Preis für ein superscharfes M390 Messer mehr als gerechtfertigt, das ja auch noch designt und produziert werden muss.
Moment mal - was ist eigentlich Restaustenit?
[pullquote align="normal"]....Abschrecken bei –70°C bis –120°C zur kompletten Restaustenit-Umwandlung notwendig. [/pullquote]Martensitische Stähle zeichnen sich durch hohe Festigkeitswerte, sowie immer noch gute Zähigkeit aus. Sie werden hauptsächlich als Werkzeugstähle in der industriellen Fertigung verwendet.
Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt über 0,6 % (Der M390 hat mit 1,9 % mehr als drei Mal so viel) bilden beim Härtungsprozess durch Abschrecken auf Raumtemperatur noch kein komplettes Martensitgefüge (Quelle). Erst Tiefkühlgrade vollständige martensitische Umwandlung.
Martensit
Jenes Eisen-Kohlenstoff-Mischkristall Austenit, dass bei Raumtemperatur übrig bleibt, wird als Restaustenit bezeichnet. Ein austenitisches Molekulargefüge ist unerwünscht, da es weicher ist, als Martensit und sich später durch mechanische Einwirkung wie Druck oder Reibung in Martensit umwandeln kann.
Die Umwandlung wiederum vergrößert das Volumen, was bei bündig eingebauten Maschinenteilen zu Spannungen oder Rissen führen kann. Zweimaliges Anlassen über 500 °C sowie Tiefkühlen erreicht das Restaustenit.
Restaustenit
Beide Maßnahmen müssen sofort nach dem Abschrecken erfolgen, da sich sonst das Restaustenit stabilisiert. Verfestigtes Austenit lässt sich viel schwieriger umwandeln und das heißt, der Stahl erreicht nicht die hohen Härtegrade.
Die korrekte Abhandlung des Härteverfahrens ersehen Hüttenwerke aus dem ZTU-Schaubild des Stahls. Durch Abweichungen bei den Arbeitsschritten kann der martensitische Stahl verspröden und damit kaum als Messerklinge im Outdoor-Einsatz oder in der Küche bestehen.
Sie sehen also, Schnitthaltigkeit hat nicht allein mit der Klingengeometrie zu tun.
M390 Stahl schärfen
Unsere drei vorgestellten M390er Messer kommen, nach den Bewertungen zu urteilen, rasiermesserscharf ab Werk. Mit dieser Ausgangsschärfe brauchen Sie beim besten Willen unterwegs nicht nachzuschleifen.
Irgendwann, wenn Ihnen die Schneide stumpf erscheint, können Sie ans Werk gehen. Für M390 mit über 60 HRC Härte brauchen Sie Schleifmittel mit sehr hartem Korn wie Siliziumkarbid oder Diamant.
Welche Schleifmittel, welche nicht?
Es ist kein Spezial-Produkt notwendig, Sie können vorhandene Steine oder Sharpener für das M390-Messer benutzen und die gleiche Technik wie immer anwenden.
Für den Vorschliff wenden Sie eine mittelgrobe Körnung an, danach arbeiten Sie mit feinen Steinen weiter. Ich persönlich benutze gern den DC4 Kombistein von Fällkniven mit goldener Diamantseite und weißer Keramik gegenüber, weil der nur 65 wiegt und sich im Etui gut zum Mitnehmen eignet.
Die Feinarbeit bis zur Rasierschärfe erreichen Sie mit Polierpaste und einem Abziehleder. Allgemein lässt sich der M390 Stahl sehr gut schärfen.
Lassen Sie japanische Wassersteine außen vor, denn damit werden Sie nicht weit kommen. Der Verschleiß wäre zu groß und die Klinge noch stumpf.
Was verbindet die Superstähle Elmax und M390?
Sowohl M390, wie auch der Elmax Stahl stammen von Böhler-Uddeholm. Beide Partner leisteten schon vor ihrer Fusion Pionierarbeit in der europäischen Schwerindustrie.
- 1446 erscheint der Name Böhler bereits in Kapfenberg, Österreich. Hier betreibt die Familie ein Hammerwerk, das Wasserkraft nutzt.
- 1870 gründen die Gebrüder Böhler in Wien ihr Unternehmen, das sich auf den Vertrieb des Kapfenberger Stahls spezialisiert. Innerhalb der nächsten 20 Jahre werden Niederlassungen den USA, Schanghai und Tokio eröffnet.
- 1894 erwerben die Gebrüder Böhler das Kapfenberger Stahlwerk. Die Entwicklung eigener Stähle beginnt zur Jahrhundertwende. Die eigenständige Periode dauert bis 1975, als Böhler mit zwei Mitbewerbern zum Konzern VEW fusioniert.
- 1988 folgte eine Neustrukturierung, Böhler trennte sich von seinen Partnern und gründete sich als GmbH neu. 1990 kaufte die Voest Alpine Stahl AG die schwedische Uddeholm AG, woraus die Böhler-Uddeholm entstand.
- 1999 folgte ein Meilenstein: Microclean. Eine Anlage zur Herstellung pulvermetallurgischer Schnellarbeits- und Werkzeugstähle wurde eröffnet, gefolgt von der Inbetriebnahme eines VAKUUM-INDUKTIONS-SCHMELZ-OFENS zur Herstellung von Werkstoffen mit höchstem Reinheitsgrad wie dem M390 Stahl.
- 2008, nach dem Ausbau des eigenen Sonderstahlwerks, übernimmt Voest Alpine die Böhler-Uddeholm AG. Bis 2014 expandiert der Hersteller mit neuen Fertigungsstraßen, Ausbau der Pulvermetallurgie und einer Schmiedelinie.
Heute zählt Böhler zu den weltweit wichtigsten Anbietern von Schnellarbeitsstählen, Werkzeugstählen und Spezialwerkstoffen.
Das Portfolio enthält mehr als 200 hoch beanspruchbare Stahlsorten, die in Turbinen, Flugzeugen, bei der Energiegewinnung, in der Medizintechnik eingesetzt werden - und bei High-End-Outdoormessern.
Lesenswert: Der Beste Stahl Für Messer
Fazit
Messer aus M390 sind treue Begleiter fürs ganze Leben, die ihren Besitzer weder der Wildnis noch hinter dem Herd in Stich lassen. Wer Schnitthaltigkeit, Zähigkeit und Korrosionsbeständigkeit will, sollte sich für den zuverlässigen Böhler Super Stahl entscheiden.
Hier sind diese nochmal in der Übersicht:
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Hallo,
Vielen Dank für den Artikel. Evtl. Können Sie mir empfehlen, wo Küchenmesser aus M390 zu beschaffen wären. Ich finde ausschließlich Taschenmesser oder „Bushkraft“ Messer in den Shops.
Danke
Gruss
Stanislav
Bei mir! :-)
sehr gut geschrieben und Informativ,
vor allem auch für „Messer-Neulinge“ wie mich ;)
hab heute sogar das MKM Micro 2 mit M390 Stahl erhalten,
super Messer, super Stahl!!!
allerdings hat sich ein kleiner Fehler in deinen Bericht geschlichen:
der DC4 ist golden (Diamant) und schwarz (Keramik),
der CC4 ist weiß (Keramik) und schwarz (Keramik)
aber trotzdem toller Bericht,
vielen Dank und lieben Gruß
Michael