„Helmpflicht Fahrrad…“, darauf reagieren viele Fahrradfahrer allergisch und das unabhängig von Ihrem Alter.
Ich hatte einmal die folgende Szene beobachtet: Nach mehreren vergeblichen Versuchen, seinen Teenagersohn zum Helmtragen zu überreden, greift der Vater in die Einkaufstasche und wirft ein rohes Ei auf den Boden:
“Genau das passiert mit deinem Kopf, wenn du ohne Fahrradhelm einen Unfall hast!”
Das ist richtig und im Grunde weiß das jeder Radler, doch gibt es inzwischen ein Gesetz zur Helmpflicht für Radfahrer in Deutschland?
Dieser Frage gehen wir in diesem Beitrag nach und erkunden die Argumente für das Pro und Contra Fahrradhelm Tragen.
1. Ein Fahrradhelm kann Leben retten
Radfahrer sind im Feierabendverkehr gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern häufig im Vorteil: Auf den Radwegen haben sie freie Fahrt und bei Bauarbeiten nimmt man eben die Abkürzung durch den Stadtpark.
Den schnellen Flitzern steht allerdings eine Tatsache entgegen: Sie haben keine Knautschzonen oder Airbags, wenn es zu einem Unfall kommt. Der ungeschützte Aufprall endet schlimmstenfalls mit schweren oder tödlichen Verletzungen.
Trotzdem tragen nur die wenigsten Radfahrer regelmäßig einen Schutzhelm. Gründe, ”oben ohne” zu fahren, gibt es viele:
- Die Haare drücken sich platt,
- das ständige Mitschleppen ist lästig
- und überhaupt, wie blöd sieht man damit aus.
Wenn gutes Aussehen auf dem Fahrrad ein wichtiger Faktor für Sie ist, dann sehen Sie sich die faltbaren Fahrradhelme an.
Für den Fahrradhelm spricht nur ein einziger Grund:
Er schützt vor lebensgefährlichen Kopfverletzungen.
Wie drastisch der Helm die Entscheidung zwischen Leben und Tod beeinflusst, belegt eine Studie der Unfallforschung der Versicherer UVD.
Lesenswert: Fahrradhelm Unfallstatistik - 5 Gründe, warum ein Helm so wichtig ist
95% schwerer Fahrradunfälle ohne Helm enden tödlich
Die UVD analysierte in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Münster und dem Institut für Rechtsmedizin in München in einer dreijährigen Studie 543 Unfälle mit beteiligten Radfahrern.
Bei den untersuchten Fällen trugen nur 17% der Radfahrer Helme.
Zwar erlitten auch Helmträger Kopfverletzungen, doch schwere Schädel-Hirn-Traumata blieben aus. Bei den 117 verstorbenen Unfallopfern hingegen waren bei über der Hälfte Schädel-Hirn-Verletzungen die Todesursache, nur sechs von ihnen (knapp 5%) trugen einen Schutzhelm.
An der Ludwig-Maximilians-Universität stellten Experten in Computersimulationen verschiedene Unfallszenarien nach. Die Ergebnisse überraschen niemand:
- ein Helm reduziert schwere Schäden,
- doch bestimmte Verletzungen bei schweren Kollisionen lassen sich auch mit Helm nicht vermeiden.
Weitere Details und Ergebnisse der Studie über das Tragen von Fahrradhelmen können Sie hier nachlesen.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann veranlasste eine ähnliche Untersuchung zum Thema „Sicherheitspotenziale durch Fahrradhelme“.
Die Ergebnisse:
- Eine Helmpflicht würde die Tragequote um 30% erhöhen, doch die Fahrradfahrleistung nähme um 7% ab.
- Mit Helm sinkt das Risiko einer schweren Kopfverletzung um 80%, der Anteil leicht verletzter Radler nimmt um 20% ab.
- Sogar die Zahl der jährlichen Todesopfer pro Jahr sinkt bei einer Helmpflicht um einige Hundert. (Quelle)
50% der Radunfälle passieren allein
Untersuchungen ergaben, dass sich die Hälfte aller Radunfälle ohne Beteiligung anderer Fahrzeuge ereigneten. Überdurchschnittlich oft davon verunglückten ältere Radfahrer.
Schnell fahrende Radler riskieren zwar eine gesteigerte Unfallwahrscheinlichkeit, doch da Rennradfahrer gewöhnlich Helme tragen, sinkt das Verletzungsrisiko. Daraus kann man folgern, dass unsichere Radfahrer sich öfter Verletzungen zuziehen und gleichzeitig das Tragen von Helmen ablehnen.
Das ist eine gefährliche Konstellation, denn durch Beteiligung von Kraftfahrzeugen nimmt die Schwere der Kopfverletzungen deutlich zu.
Mit 75% bilden Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, also im Grundschulalter, die größte Gruppe der Helmträger.
2. Fahrradhelm ja oder nein - Was sagt der ADFC?
„Allgemeine Deutsche Fahrrad Club“ zählt zu den Gegnern einer möglichen Helmpflicht, obwohl die Unfallzahlen steigen. Der Anstieg begründet sich unter anderem mit dem boomenden Markt für Fahrräder mit Hilfsmotor, sogenannter Pedelecs.
Helmpflicht für E-Bikes?
Auch für das E Bike gibt es keine Helmpflicht. Der Gesetzgeber sieht in der Straßenverkehrsordnung StVO keine Notwendigkeit, dahingehend für Radfahrer Reglementierungen aufzustellen.
Wie argumentieren die Lager, wenn es doch belegt ist, dass Fahrradhelme Leben retten? Nicht zu vergessen sind die vielen Menschen, die irreparable Behinderungen nach einem Fahrradunfall davon tragen.
+ Helme verhindern schwerste Kopfverletzungen
+ Bessere Sichtbarkeit
+ sinkende Umweltbelastung durch Abgase
- Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Helme machen Radfahren unattraktiv und umständlich
- Anschaffungskosten für Helme
- weniger Menschen fahren dann Rad
- Frakturen von Kiefer oder Nase, da das Gesicht ungeschützt bleibt
- bei missachteter Helmpflicht wird Bußgeld fällig
3. Soll eine Helmpflicht für Radfahrer im Straßenverkehr eingeführt werden?
Bisher ist von gesetzlicher Seite keine Helmpflicht vorgesehen, obwohl die Mehrheit der Deutschen durchaus für die allgemeine Helmpflicht oder zumindest bei bestimmten Fahrergruppen ist, ergab eine Umfrage des Instituts YouGov:
- 88% der 2057 befragten Bundesbürger sprechen sich bei Kindern für eine Helmpflicht au,
- sowie 51% befürworten dies für Radfahrer über 60 Jahren.
Selbst jedoch tragen die wenigsten Radler die schützende Kopfbedeckung.
Ein Nebeneffekt der fehlenden Helmpflicht fürs Fahrrad in Deutschland ist, dass es dafür keine Bußgelder oder Strafpunkte in der Verkehrssünderkartei gibt.
Doch Achtung, wenn Sie mit dem Rennrad über der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit geblitzt werden, zahlen Sie auch als Radfahrer ein Knöllchen.
4. Wie sieht es mit der Helmpflicht für’s Fahrrad im Ausland aus?
Auch wenn Radler in Deutschland ohne Helm unterwegs sind, sollten Sie sich rechtzeitig vor dem Reiseantritt über bestehende Vorschriften in Ihrem Urlaubsland informieren.
In Europa ist die Radhelmpflicht unterschiedlich geregelt.
Helmpflicht in Finnland
Im Land der frei laufenden Elche und Rentiere gibt es für Radfahrer aller Altersgruppen eine generelle Helmpflicht.
Helmpflicht in Österreich
Planen Sie einen Radurlaub mit der Familie? Seit 2011 besteht Fahrrad Helmpflicht für unter zwölfjährige Kinder und das Baby im Kindersitz, jedoch nicht für Erwachsene.
Italien
Wenn Sie es gewohnt sind, ohne Helm zu radeln, wird Ihnen Urlaub in Italien zusagen: Hier gibt es keine generelle Helmpflicht für Fahrräder, sondern nur für Fahrer und Beifahrer von Kleinkrafträdern und Krafträdern.
Für Radfahrer in Italien ist genau wie in Frankreich, Malta, Litauen, der Slowakei, Ungarn und Spanien bei Dunkelheit und schlechtem Wetter reflektierende Kleidung oder das Tragen von Warnwesten vorgeschrieben.
Helmpflicht in Spanien
Auf dem spanischen Festland sowie den Balearen-Inseln Mallorca, Menorca und Ibiza greift die Helmpflicht auf Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften. Das Gleiche gilt für die Kanarischen Inseln Lanzarote, Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura.
Der Gesetzgeber zeigt sich Fahrrad-Touristen und Einheimischen gegenüber großzügig: Radler in Spanien dürfen bei hochsommerlicher Hitze und an langen Steigungen den Helm abnehmen. Kinder und Jugendliche müssen weiterhin in städtischem Gebiet bis zum 16. Geburtstag Fahrradhelme tragen.
Helmpflicht in Slowenien, Island und Schweden
In diesen Ländern sollten Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre einen Fahrradhelm tragen.
Helmpflicht in Kroatien und Estland
Jugendliche und Kinder unter 16 Jahren unterliegen der Helmpflicht und an den Rädern in Estland sind Reflektoren vorgeschrieben.
Keine Fahrradhelmpflicht in Dänemark
Auch bei unserem nördlichen Nachbarn können Familien mit Kindern die Natur ohne Fahrradhelm genießen.
5. Weitere europäische Länder ohne Helmpflicht
In diesen Ländern gibt es nur die Empfehlung einen Helm aufsetzen, doch erkundigen Sie sich nach anderen Regelungen, wie die verpflichtende Nutzung von Radwegen, reflektierende Kleidung und Anforderungen an ein verkehrssicheres Fahrrad.
- die Schweiz
- die Niederlande
- Großbritannien
- Polen
- Portugal
- Irland
- Luxemburg
- Rumänien
- Lettland
- Griechenland
- Ungarn
6. Die Fahrradhelmpflicht im europäischen Ausland
In Australien und Neuseeland
Auch wenn es “Down Under” unerträglich heiß ist, seit 1990 gilt in Australien generelle Helmpflicht, genauso wie in Neuseeland.
In den USA
22 Bundesstaaten in Nordamerika sehen eine Helmpflicht für Kinder und Jugendliche vor. Regional gelten allerdings unterschiedliche Altersgrenzen: In Kalifornien ist allgemeine Helmpflicht bis zum 18. Lebensjahr gesetzlich vorgeschrieben, in Washington können bereits 16-jährige Radler den Helm ablegen.
In New York ist das Radfahren bis zum 14. Geburtstag Pflicht, aber dies gilt nicht für das gesamte Stadtgebiet: In dieser riesigen Metropole ist es so, dass die Behörden in verschiedenen Distrikten regionale Regelungen erlassen dürfen.
Erkundigen Sie sich speziell, wenn Sie Kalifornien, Alabama und Texas mit dem Rad entdecken wollen - hier gilt teilweise die volle Helmpflicht auch für Erwachsene.
Weitere Infos zu internationaler Helmpflicht für Radfahrer finden Sie beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat.
* * *
Wir empfehlen Ihnen, bei einem Radurlaub einen Helm (Herren, Damen und Kinder) mitzunehmen oder vor Ort auszuleihen, damit ein drohendes Bußgeld die Urlaubskasse nicht vorzeitig leert. Eltern sollten ihren Kindern mit gutem Beispiel voranfahren und selbst Helm tragen. Woran man sich früh gewöhnt, wird später zur Selbstverständlichkeit, genauso war es auch mit der Einführung der Gurtpflicht beim Autofahren.
7. Ein wichtiges Urteil zur Helmpflicht vom Bundesgerichtshof
Diese Entscheidung des BGH zur Helmpflicht der Radfahrer wurde von aktiven Fahrern und Experten heiß erwartet, galt es eine Grundsatzfrage zu klären:
"Haben Radfahrer bei Unfällen eine Mitschuld an der Schwere ihrer Kopfverletzungen, wenn sie keinen Fahrradhelm tragen?"
Der Fall handelte vom Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, der einer Radfahrerin nach ihrem Unfall mit einem Pkw eine Teilschuld an ihren schweren Kopfverletzungen zusprach, da sie ohne Helm verunglückte.
Trotz eindeutiger Klärung der Schuldfrage seitens der Polizei konnte die gegnerische Versicherung vor dem OLG eine Teilschuld erstreiten. Gegen die Argumentation, mit einem Helm wären die Verletzungen geringer ausgefallen, legte die Frau Revision ein.
Der BGH begründete sein Urteil wie folgt:
"In Deutschland besteht weiterhin keine Helmpflicht für Radfahrer. Auch ohne einen Helm zu tragen, haben Radfahrer das Recht auf volle Schuldfreiheit."
Damit hat der BGH der Klägerin recht gegeben und das Urteil des OLG aufgehoben.
Gibt es Helmpflicht im Fahrradanhänger?
Nein, dem Kleinkind einen Helm aufzusetzen, wenn es im Fahrradanhänger mitfährt, liegt allein im Ermessen der Eltern.
Ein Fahrradhelm im Fahrradanhänger wird jedoch aus Sicherheitsgründen empfohlen.
Fazit - Helmpflicht Fahrrad
Ich habe die ganze Diskussion um die Helmpflicht bei Fahrradfahrern verfolgt und komme zu der nüchternen Erkenntnis: Ein Helm schützt meine Sicherheit, es geht nicht um irgendwelche Eitelkeiten.
Was hat man davon, vor Gericht recht zu bekommen, aber für den Rest des Lebens nichts mehr so ist, wie es einmal war?
Was denken Sie darüber?